Donnerstag, 3. Januar 2013

Zum neuen Jahr


Ursprünglich wollte ich zum neuen Jahr etwas über meine Ferienlektüre - Ludwik Flecks „Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache“ (1935) – aufschreiben. Stattdessen wird es zunächst ein Rückblick auf das Jahr 1996, da ich vor kurzem beim Durchsehen älterer Tagebuchaufzeichnungen die Notizen meiner ersten Reise nach Kreisau wiedergefunden habe. Ich stelle sie hier dem Bericht über Kreisau an die Seite, um diesen durch meinen unmittelbaren Eindruck  von damals zu ergänzen.
1996 kam ich zum zweiten Mal nach Polen und konnte noch kein Wort Polnisch. In Kreisau wollte ich ein Seminar zum Thema Recht und Gerechtigkeit besuchen. Bei meinen Aufzeichnungen handelt es sich um Eintragungen, die ich direkt so aufgeschrieben habe, wie sie mir eingefallen sind. Das Seminar war für mich die erste Veranstaltung dieser Art. In den Notizen geht es vor allem um den äußeren Rahmen. Freunde aus Polen habe ich erst im darauf folgenden Jahr kennengelernt. Viele Begegnungen habe ich auch in Erinnerung, über die ich leider nichts geschrieben habe, wie etwa mit einer älteren Frau aus Polen neben mir im Bus, vielleicht im Rentenalter, die sich mit mir auf Deutsch zu unterhalten begann.



Freitag, 17.05.96

Die ersten Eindrücke von Kreisau

Gestern Abend bin ich in Kreisau angekommen. Es ist eine große Gutsanlage mit Gutshaus. Die Gebäude, ehemalige Stallungen und Wohnhäuser schließen einen großen rechteckigen Platz ein. Hinter dem Herrenhaus fließt ein Nebenfluß der Peile, die die Gutsanlage rückwärtig von den Feldern und dem Berghaus trennt. Alle Gebäude waren teilweise zerfallen und mußten  sogar abgerissen und neu aufgebaut werden. Man arbeitet heftig an der Wiederherstellung und am Ausbau der Anlage zum Veranstaltungsort. Die Einrichtung der Zimmer ist im westlichen Standard. Mein Raum befindet sich über ehemals Schafställen unter dem Dach, seitlich vom Herrenhaus. Hier sollen bis zum Sonntag 170 Personen untergebracht werden. Die Konferenz beginnt nach dem Mittagessen. Ihre Thematik und die Referenten bedeuten mir mehr als der Großteil der Besucher. Es herrscht etwas  Schönwetter-Vereinsatmosphäre. Interessanter sind die Polen. Im Zug habe ich ein nettes Mädchen kennengelernt, die gleich meine Weiterfahrt nach Schweidnitz organisiert hat. In Schw. dann mit dem Bus bis kurz vor Kreisau. Dann gelaufen und angekommen. Hier herrscht sympathische ländliche Atmosphäre. Teilweise sieht es schlimm aus, aber „natürlich“ verfallen. Die Leute scheinen optimistisch zu sein. In meinem Zimmer ist bis jetzt nur ein Pole von der dpa aus Warschau untergebracht, der mich über die poln. Gesellschaft informiert.  Gestern, nach dem Abendessen hatte ich noch einen interessanten Spaziergang bei angenehmen milden Abendtemperaturen zum Berghaus. Wenn man es schon von Fotografien kennt, ist es ein sehr eigenartiges Gefühl, nun selbst an der Terrasse zu stehen und sich vorzustellen, wie es früher wohl einmal war.
Heute Vormittag war ich nochmal dort bei Sonnenschein und habe es fotografiert. Mit Fotoapparat in der Hand habe ich mich dort wie vor Einwohnern sehr unwohl gefühlt.
 
 
In dieser Gutsanlage zu wohnen ist sehr gut. Sie besitzt ein ganz eigenes Ambiente, etwas freiheitlich-festhaftes. So ist es auch ein bischen Erholungsurlaub vom Streß.  Aber ich werde mich auf die Thematik dieser Konferenz der Stiftung Kreisau für Europ. Zusammenarbeit konzentrieren.
 
 Montag, 20.05.96
Die Fahrt nach Kreisau hat sich vollkommen gelohnt. Es ist ein Glück, daß ich dorthin gefahren bin. Zum ersten Mal auch das geistige Klima nach dem ich gesucht habe und nicht wußte, wie es sein kann.
Inhaltlich hat mir die Konferenz wenig gebracht. Sie hat aber meinen Horizont erweitert, was die Probleme und die gesellschaftlichen Situationen der osteurop. Nachbarstaaten, v.a. Polen betrifft. Ich habe auch richtig nette Leute kennengelernt (Andreas, Mitarbeiter, Torsten, Jura-Student aus Halle) und zum ersten Mal Freya von Moltke kennengelernt bzw. gesehen. Kirchenmenschen, Pfadfinder waren auch dort mit denen ich nett und ruhig gesprochen habe.  Ich hätte mich ja noch lieber mehr mit jungen Polen unterhalten, zum Beispiel den dort Angestellten oder Helfenden, die ich sehr interessant und im Falle der Rezeptionsfrau auch vorbildhaft finde. Die Leiterin der Konferenz ist einmalig. Ich hätte ihr gerne noch Glück gewünscht. Der Rahmen konnte perfekter nicht sein. Unterkunft und Wetter blendend, Lagerfeuer für mich ein schöner Abschluß. Ich habe mich zum Schluß lange mit einem Mädchen aus Brandenburg unterhalten, das am Lagerfeuer neben mir saß. 
Was ist sonst zu sagen:  Das Klavierkonzert mit Veronica Jochum als Abschluß am Sonntag war sehr beeindruckend. Es fand in der Musikhochschule in Schweidnitz statt. Am 1. Konferenztag hat man mit Torsten und mir ein Interview geführt. Ich habe mich in den Zwischenpausen fast durchweg gut unterhalten. Auch der gemeinsame Gesang als Abschluß des ökumenischen Gottesdienstes hat mir gefallen, wie auch das Auftreten und der Gesang der Pfadfinder, die das Lagerfeuer erst schön gemacht haben.


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