Hallo ... ,
vielen Dank für Deine Postkarte! Ich hoffe, Du hast
einen schönen Feiertag an der Mosel verbracht und konntest Dich dort gut
erholen.
Bezüglich Deiner letzten Emails zum Thema Konfessionen
habe ich mir über das Wochenende weiter Gedanken gemacht, denn meine Sicht auf
die katholische Kirche unterscheidet sich doch von Deiner. Was natürlich daran
liegt, dass wir sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben. Ich möchte Dir
aber nochmal etwas schreiben zu dem, was mir die katholische Kirche bedeutet,
denn ich würde sagen, dass ich die katholische Kirche in existentieller Weise
positiv wahrgenommen habe, vielleicht hat sie mein Leben sogar in stärkerem Maße
berührt als die evangelische Kirche.
Es fängt schon damit an, wie ich wieder zur Philosophie
gekommen bin: Durch die Regensburger
Rede des Papstes sowie die Biographie Edith Steins. Diese haben mich wieder zur Philosophie (und zur Religion) gebracht
und damit ein Stück weit auch zu mir selbst.
Interessant für Dich könnte auch eine Rede sein, die der
Papst in Paris gehalten hat. Hier geht es u.a. um die Rolle der Schrift und der Sprache. Aber
nicht nur, sondern auch um die eigentlich philosophische Haltung:
„Wir könnten sagen, daß dies die eigentlich
philosophische Haltung ist: Über das Vorletzte hinauszuschauen und sich auf die
Suche nach dem Letzten und Eigentlichen zu machen.“
An anderer Stelle heißt es: Diese Suche mache uns auch
„wach für einander“ .
Diese Suche nach den letzten Dingen (Rede
in Paris) und der Verweis auf die Weite der Vernunft (Regensburger Rede)
stellen für mich ein Aufzeigen von `Freiheitsräumen´ im Sinne etwa von Jaspers
dar. Auch dies halte ich für eine Form
der Aufklärung.
Edith Stein studierte und promovierte bei Edmund
Husserl und wurde dessen Assistentin.
Ihr Nachfolger als Assistent Husserls wurde dann Heidegger. Sie war befreundet
mit dem polnischen Philosophen Roman Ingarden, den sie zu fördern versuchte und
wohl sogar finanziell unterstützte. Ingarden wurde später Professor in Polen.
Karol Wojtyla/Johannes Paul II. ließ sich von ihm über Edith Stein berichten.
Edith Stein hatte viermal versucht, sich zu habilitieren. Ihre Arbeiten wurden
jedes Mal ungeprüft zurückgegeben, da es für Frauen, noch dazu mit jüdischem
Hintergrund, damals „unüblich“ war, sich zu habilitieren. Trotz aller
Aussichtslosigkeit für eine Frau jüdischer Herkunft hatte Edith Stein den Mut
Philosophie zu studieren mit dem Ziel einer akademischen Laufbahn.
Durch beide, die
Reden des Papstes und die Biographie Edith Steins fühlte und fühle ich mich zur
Philosophie ermutigt, und dazu, mich auch tiefer mit dem Glauben zu
beschäftigen.
Zum einen wird meine Sicht auf die katholische Kirche
auf diese Weise von dem bestimmt, was ich gelesen habe, zum anderen aber von Erlebnissen, die ich in Polen gemacht
habe, und die sich mir eingeprägt haben.
Du weißt ja, glaube ich, dass ich mehrfach in Krzyzowa
war. Die Errichtung der dortigen Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung
wurde u.a. gefördert durch die Jesuiten sowie den „Klub der Katholischen
Intelligenz“ („KIK“) in Breslau. Der für
uns vielleicht ungewöhnlich klingende Name (des „KIK“) kommt - wie ich gelernt
habe - daher, dass zur Zeit der Errichtung dieser Klubs von den Behörden verfügt wurde, dass diese
keine Massenorganisationen sein und keine Arbeiter als Mitglieder haben dürften.
Diese Klubs suchten nach einem Platz der Laien im Leben der Kirche und in der
Gesellschaft. Arbeitsgruppen, Vorlesungen, Seminare, Fahrten, Kulturveranstaltungen, Versöhnungsarbeit,
Anregung des Bürgersinns vor dem Hintergrund staatlicher Observation sind hier
einzelne Stichworte. Diese Klubs waren wohl "an allen wichtigen Ereignissen" in
Polen beteiligt und unterstützten auch die Solidarnosc. Hier ist für mich eben
ein Beispiel dafür, wie wichtig vom Glauben getragene Institutionen sein können,
indem sie etwa `Freiheitsräume´ eröffnen oder aufzeigen, die Weite der
Vernunft wirklich werden lassen. Dies beim Blick auf die Kirche zu ignorieren
hieße in meinen Augen, sich dem Leben entgegen zu stellen.
Eine Erinnerung habe ich hier z.B. an Frau Unger vom
„KIK“ aus Breslau, die alle im Grunde anspornte, oder wie auch immer man sagen
will, bei der Durchführung einer Tagung zur europäischen Verständigung, die ich
in Kreisau besucht habe, einem Ort zum `wach für einander werden´. Ich weiß auch
noch, dass ich am Schlusstag früher gehen musste, um den letzten Bus nach
Schweidnitz und Breslau noch zu bekommen, dafür aber die letzten Veranstaltungen
hätte verpassen müssen und sie mich auf der Treppe anhielt und in etwa sagte:
„Sie gehen schon? Kommt gar nicht in Frage! Ich suche ihnen jemanden, der sie
heute Abend mit nach Breslau nimmt.“ Und nach ca. 10 Sekunden hatte sie gleich
jemanden gefunden. So was sind natürlich nur kleine Erinnerungen, prägen sich
aber irgendwie ein. Und bestimmen so auch zusammen mit
Freundschaften, die ich dort geschlossen habe, mein Bild von Kreisau, dem Ort
zum `wach für einander werden´, den `Freiheitsräumen´ der „Klubs der Katholischen Intelligenz“ und damit
auch der Katholischen Kirche mit.
Und so habe ich auch durch die katholische Kirche meine
besten Freunde kennengelernt. Und mit ihnen hat auch sie einen Platz in meinem
Herzen.
Lass es Dir gut gehen und mal wieder etwas von Dir
hören!
Andreas
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2006/september/documents/hf_ben-xvi_spe_20060912_university-regensburg_ge.html
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2008/september/documents/hf_ben-xvi_spe_20080912_parigi-cultura_ge.html
Die Geschichte des Breslauer Klub der Katholischen Intelligenz und der mit ihm verbundenen Vereine, Wroclaw, 1997
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2006/september/documents/hf_ben-xvi_spe_20060912_university-regensburg_ge.html
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2008/september/documents/hf_ben-xvi_spe_20080912_parigi-cultura_ge.html
Die Geschichte des Breslauer Klub der Katholischen Intelligenz und der mit ihm verbundenen Vereine, Wroclaw, 1997
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